Jo Fabian untersucht den kanonisierten Text auf seine
Lebendigkeit, ohne aber die heiligen Hallen je zu verlassen
von Stefan Bock
"Jo Fabian... lässt
seinen Faust ... dann auch gleich im Museum spielen. Genauer gesagt als
Bestandteil einer interaktiven Faustperformance im Deutschen Pavillon der
Kunstbiennale Venedig 2019.
...Die Titelfigur
steht hier auf einem Sockel in dem von Pascale Arndtz dem deutschen
Ausstellungsbau in den Giardini der Lagunenstadt nachgestellten Bühnenbild. „Verweile
doch...“, der Spruch aus der Wette Fausts mit Mephistopheles steht an
der Wand, an der sich auch zwei Videoscreens befinden, auf denen
Szenenüberschriften und Kunstwerke aus über 200 Jahren bildnerischer
Faust-Rezeption zu sehen sind. Ganz historisch, wie einem Gemälde der
Romantik entlehnt, sind auch die Kostüme von Faust (Axel Strothmann)
und Mephisto (Boris Schwiebert). Doch nicht etwa den Säulenheiligen
der deutschen Theatergeschichte will der Regisseur hier von seinem Sockel
holen. Nein, es geht laut Gastdramaturg Jan Kauenhowen, den sich
Fabian aus Berlin geholt hat, um eine Prüfung, „wieviel Leben heute noch
in dieser Weltdichtung steckt oder wie weit wir dieser noch gewachsen sind.“
Dazu haben Regie und Dramaturgie Goethes Text von heute Unverständlichem
gereinigt. Herausgekommen ist eine Art Best of der bekanntesten Faustszenen,
die sich im sogenannten Faustsaal oder anderen Räumen des Pavillons
abspielen..."
Märkische Oderzeitung (MOZ) vom 2. Dezember.2019
"Goethes 'Faust' als Satire auf den Kunst-Betrieb"
Jo Fabian inszeniert in Cottbus
von Christina Tilmann
"Der Deutsche
Pavillon auf dem Gelände der Biennale-Gärten in Venedig hat schon viel
gesehen. 1938 von Ernst Haiger monumental-klassizistisch umgebaut, haben
sich schon viele Künstler an der faschistischen Formensprache
abgearbeitet... In Cottbus hat sich das Ausstellungsgebäude ... nun in den
hell ausgeleuchteten "Faustsaal" verwandelt, samt Erklärtafeln,
Museumsbänken und Saalaufsicht. In intelligentem Kurzschluss zwischen
nationalsozialistischem Architekturprotz und der Forderung gewisser
Politiker nach mehr nationalem Kulturgut auf deutschen Bühnen haben
Regisseur Jo Fabian und seine Bühnenbildnerin Pascale Arndtz zur
"interaktiven Faust-Ausstellung" geladen. Die Hauptfigur steht als
Säulenheiliger auf dem Marmorpodest, gelegentlich durch Tauben besudelt,
Mephisto (Boris Schwiebert) knallt die Peitsche, immer wieder irren
verständnislose Kunst-Besucher durch die Räume...
So entsteht, über
Band in drei Sprachen angesagt, ein leicht fassliches Stationendrama, das in
den Kostümen (ebenfalls Pascale Arndtz) ebenso mit klassischen "Faust"-Ikonographien
von Eugene Delacroix und Moritz von Schwindt spielt wie mit zeitgenössischer
Videokunst... Doch so intelligent-ironisch die Inszenierung zunächst mit
zeitgenössischem und historischem Kulturgut spielt, der Spaß hat ein Ende,
als es zur Sache geht. Die Kernstory haben Fabian und Dramaturg Jan
Kauenhowen kaum verändert, und je mehr der durch drei Hexen verjüngte Faust
das "naive, junge Ding" Gretchen auf seine Seite bringt, desto ernsthafter
und stückgetreuer wird die Inszenierung..."